Liebe Schwestern und Brüder,
man muss die Feste feiern, wie sie fallen! Die erste Hälfte im Kirchenjahr vom 1. Advent bis zum Ewigkeitssonntag ist die Zeit mit den großen Christusfesten Ostern, Weihnachten, Pfingsten. Die zweite, also ab Trinitatis, ist thematisch dem Leben der Kirche gewidmet. Das ergibt sich aus dem pfingstlichen Auftrag: „Ihr sollt meine Zeugen sein!“ Ein Reichtum an Themen und die
damit verbundene Orientierung aus dem Wort Gottes heraus.
Das Christentum habe derzeit seine Deutungskraft verloren – das ist zur Zeit eilfertig, zuweilen genüsslich- triumphal zu hören. Das Kirchenjahr gibt mir aber Kraft, den Erfahrungen meiner Väter und Mütter zu trauen. Nicht wir lassen uns von der Tradition vereinnahmen, sondern vereinnahmen die Tradition für uns. Gern lasse ich mich, auch ohne pastorale Pflichten vom Kirchenjahr an die Hand nehmen. Im Kirchenjahr steckt ein Lebensatem und eine Art Halteseil auf steilen Treppen und Klippen des Lebens. Ja, man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Das ist in diesem Zusammenhang ein gutes Wort. Sich unterbrechen lassen im eigenen Rhythmus, das eigene Thema wechseln mitten in unseren oft so großen Wichtigkeiten. Halte an, schau dich um, höre zu,
lass dich überraschen von der frommen Intelligenz des Kirchenjahres. Wie die Frauen am Grab, wie die Hirten auf dem Feld, wie der einstige Verleugner Petrus nun öffentlich die Pfingstpredigt zu halten vermag.
Das Christentum verliert nur dann und dort seine prägende Kraft, wenn der Glaube mit Herzen, Mund und Händen keinen Ort mehr hat, wenn er nicht mehr Gestalt gewinnt, aber wenn die Kirche nach außen hin SEINE Sache, also ihre Sache einfach lebt. Dann ist etwas bei uns Kirche ablesbar für die anderen. Was denn zum Beispiel? Ein überaus verwegene Hoffnung aus der Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Christus Jesus heraus. Einfache Zeiten waren nie, zumal, wenn man bedenkt, dass auch satte Zeiten ihre Abgründe haben. Was mich an der Souveränität des Evangeliums und den jeweiligen Fest- und Sonntagsthemen aufweckt, ist ihre Fähigkeit, immer die jeweilige Zeit zu treffen, oft erschreckend und auch erfrischend aktuell die Zeichen der Zeit zu deuten. Zerstören wir uns diesen Schatz nicht. Eine manchmal stressende Event-Kultur der Kirche will klüger sein, ist sie aber nicht. Gute Theologie braucht gute Kultur, gute Kultur braucht gute Theologie. Extraangebote und tolle Veranstaltungen sind wichtige Schmankerl, aber das Kirchenjahr zu überlagern und so Jagd nach vollen Kirchen zu machen, ist nur kurzfristig. Der Gerechte wird seines Glaubens leben. Vertrauen wir darauf!

Erfüllte Zeit wünscht Pfarrer Jörg Coburger